28.5.12

Chefsache

“Wer billig kauft, kauft doppelt”, zitierte die Beste Ehefrau entweder eine ungenannte Großmutter oder einen korrupten Konsumforscher und zeigte mir einen Rührbesen unseres aktuellen, namenlosen Handrührgerätes, der unter starkem Drahtausfall ausgerechnet in seinem Aktionsbereich litt. Zum Glück gelang es uns, die meisten fehlenden Teile aus dem gerade in Arbeit befindlichen Rührgut zu entfernen, und von den Gästen hat sich später auch keiner beschwert. Schnell stellten wir außerdem fest, dass das Rühren mit nur einem Besen mechanisch völliges Neuland für einen auf mitteleuropäische Küchenphysik trainierten Menschen dar stellt. Nach kurzem Überlegen erklärte mein Ingenieursgehirn den wild in der Gegend herum tanzenden Rührtopf mit dem nicht kompensierten Drehmoment des verbliebenen Rührbesens im Rührgut. Als ich das der Besten Ehefrau stolz mitteilte, verwunderte mich ihre Gleichgültigkeit ob dieser Tatsache doch etwas. Statt dessen beschloss sie, meine ihrer Meinung nach nicht ausgeschöpften geistigen Kapazitäten mit der Wiederherstellung eines betriebsbereiten Zustandes der Kücheneinrichtung zu betrauen. Schlau wie sie ist, hat sie mit diesem Auftrag natürlich einen wunden Punkt getroffen. Oder gleich mehrere. Da wäre zunächst das aus prähistorischer Zeit stammenden Familienversorger-Gen, natürlich in der modernen Ausprägung, die heutzutage nicht mehr darin besteht, noch körperwarme Mammutfleischberge zufrieden grunzen vor dem Höhleneingang abzulegen sondern selbstbewusste und rührwillige Weibchen mit Werkzeug zu versorgen.

Zum Zweiten traf dieser Auftrag auf ein im wochenendlichen Leerlauf befindliches Ingenieursgehirn. So ein Ingenieursgehirn ist ein empfindliches Hochleistungsorgan, dass in jahrelanger kontinuierlicher Prägung auf das systematische Finden von Lösungen für Probleme jeglicher Art optimiert wurde. Diese Tatsache alleine verringert die Chancen von Ingenieuren auf dem Heiratsmarkt drastisch, weswegen ich dem Ingenieursgehirn auch evolutionär auf Dauer keine größere Zukunft einräume. In ein paar Generationen hat sich das erledigt. Ich persönlich habe die Beste Ehefrau nur deswegen ab bekommen, weil sie mir schon vor der Umwandlung meines Gehirns verfallen war.

Auf jeden Fall verschluckte die Empfangseinheit meines nach Beschäftigung lechzenden Denkapparats den Auftrag wie ein Achtjähriger ein Nutellabrot, und so erklärte ich die Beschaffung eines neuen Handrührgerätes kurzerhand zur Chefsache. Es gehört zu den unausgesprochenen und von der Emanzipation unberührten Tatsachen, dass der Mann dafür zuständig ist, dass die Dinge funktionieren und die Frau sich um die nutzbringende Anwendung der genialen Erfindungen des Mannes kümmert. Das ist bei uns nicht anders. Zunehmend bemerke ich jedoch Ausnahmen von dieser Regel. Angefangen hat das mit der Neuerfindung des Staubsaugers durch einen gewissen Herrn Dyson. Allein der Name lässt alle Science-Fiction Fans in Ehrfurcht erzittern, wenn sie an die Dyson-Sphäre denken, einem künstlichen Objekts von kosmischer Bedeutung, Thema zahlreicher epischer Weltraumsagen .

Und nun wurde dieser Name in Verbindung gebracht mit dem aus menschlicher Sicht entgegengesetzten Pol der kosmischen Objekte, dem Hausstaub. Da gerät das Weltbild meiner Generation, die von in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts adoleszent geprägten Müttern groß gezogen wurden, schon mal ins Grübeln, ob die Bedienung des Staubsaugers von Herrn Dyson nicht doch eine Tätigkeit sei, die der besonderen Fähigkeiten des Mannes bedarf. Ja und auch ich helfe Herrn Dyson gerne dabei, die Erde staubärmer zu machen. Ich weiß, dass diese Aufgabe bisher unter ihrem wahren Wert gesehen wurde, und dafür braucht man natürlich entsprechendes Werkzeug, und ich bin dankbar, dass Herr Dyson uns einen Staubsauger wie ein Flammenschwert gegeben hat, der uns effektiv bei diesem Kreuzzug unterstützt. Aber lassen wir das.

Zu den Schattenseiten unserer Konsumgesellschaft gehört es, dass immer weniger Geräte repariert werden können, geschweige denn dass es auch nach dem Verlassen des Ladens nach dem Kauf noch Ersatzteile dafür gibt. So erwog ich auch die Möglichkeit, einfach einen neuen Rührbesen zu beschaffen, nur bis zu dem Augenblick als ich erfolglos den Hersteller des Geräts zu ermitteln versuchte.

Angesichts der Tatsache, dass unser Handrührgerät oder vielmehr sein Besen unglücklicherweise antizyklisch den Geist aufgab, sodass weder Aldi noch Lidl noch Penny noch Norma noch Aral gerade eines im Angebot hatten, wandte mein Gehirn die erlernten Problemlösungsstrategien an. Ich versuchte, Anforderungen von der Besten Ehefrau einzuholen, doch diese erwies sich als ungeübt in dieser Disziplin und antwortete mit einem von Achselzucken begleiteten “Na, funktionieren sollte er schon”. Allein der falsche Artikel für DAS Handrührgerät, das die Beste Ehefrau konsequent “Den Mixer” nennt, enthüllte mir, dass hier nicht viel mehr zu holen war. Ich ordnete die Bemerkung als einfaches K.O.-Kriterium ein, stellte einen morphologischen Kasten auf und selektierte aus dem Internetangebot das Optimum zwischen Qualität und Preis unter Zuhilfenahme verschiedener Verbraucherportale, Bewertungsschemata und Preissuchmaschinen. Den Rest besorgte DHL und schon drei Tage unruhigen Wartens später lag das Ergebnis in braunem Karton verpackt vor mir. Nun, sollte man meinen, wäre die Aufgabe erledigt. Doch hier setzte genau jene oben beschriebene Verhaltensweise ein, die mir zunehmend zu denken gibt. Die Beschaffung alleine reichte mir nicht. Ich musste mich eigenhändig von der Lösungsqualität und im aufopfernden Selbstversuch von der Ungefährlichkeit der Bedienung überzeugen. Feierlich öffnete ich die Verpackung und entlud ihren überschaubaren Inhalt auf den Küchentisch. Danach fing ich an, der Zeitung lesenden Besten Ehefrau laut die Vorzüge des Modells zu erklären. Ihre einsilbigen Antworten zeugten nicht gerade von Empfänglichkeit, geschweige denn nachhaltiger Begeisterung. Ich beschloss, dass selbige unter Beweis gestellt werden mussten und schlug Quark zu Füllung, mürben Teig und Eier zu Schnee und fabrizierte unter Zuhilfenahme von Knethaken und Schneebesen einen köstlichen Käsekuchen. Die unbändige Kraft des Motors walkte den Teig mit konstanter Drehzahl, mein Handgelenk schmerzte nicht mehr ob der unglaublichen Leichtigkeit des Rührgerätes, und die Nachbarn verzichteten darauf, die Polizei wegen Ruhestörung zu rufen. Ja ich konnte mich sogar während des Rührens ohne Zuhilfenahme von Zeichensprache mit der Besten Ehefrau verständigen, die sich allerdings nur schwer von ihrer Lektüre ablenken ließ, selbst als ich Teigstückchen nach ihr warf. Ich liebe jedenfalls dieses Handrührgerät, und langsam scheint sich auch die Beste Ehefrau für "den neuen Mixer" zu erwärmen. Ich sah sie neulich bereits eine einfache Kuchenfertigmischung damit herstellen.