25.5.10

Application Lifecycle Management

"Das war's!", stöhnte Blorg, "Ich hab' die Schnauze voll!"
Er stieß sich mit zwei Armen von der Eingabefläche ab und begann ärgerlich blubbernd im Raum zu schweben.
"Ich kann auch nicht mehr", pflichtete ihm Gorg bei, "kaum hat man eine Stelle geflickt, fliegt der Code an einer anderen auseinander. Es ist hoffnungslos."
"Und dann diese 16 Milliarden Instanzen. Die Anzahl finde ich gar nicht so schlimm, aber dass ein paar davon gut laufen und der Rest nur so dahinkrepelt, dass macht mich fertig." Aus Blorgs Oberfläche stülpten sich noch mehr kleine Ärmchen, sodass er aussah, wie ein wütender Kugelfisch.
Gorg stieß sich jetzt auch in den Raum und beide schwebten neben einander her ohne Kontakt zur Eingabefläche. Es konnte nur Augenblicke dauern, bis dem Boss das auffiel. Und schon materialisierte er sich wabernd vor ihnen.
"Was ist los? Warum pflegt Ihr keinen Code?", grollte Zorg.
"Ach Chef, es ist hoffnungslos." jammerte Blorg. An dem Code ist einfach viel zu lange von viel zu vielen rumgebessert worden. Sie sollten sich den mal ansehen. Voller Graffiti. Jeder zweitklassige Retrovirenschreiber hat sich darin verewigt. Kaum hat man ein Y rein gemacht, wird aus unerfindlichen Gründen auf einmal wieder ein X draus oder schlimmer, es kommen zwei X dazu!"
"Der Code ist einfach viel zu lang geworden." Das war Gorg. "Über drei Milliarden Basenpaare. Möchte wissen, warum die es ausgerechnet alle auf dieses hässliche Ding abgesehen haben. Das ist unwartbar."
"Dinosaurier" murmelte Blorg.
"Was sagst Du da?" fragte Zorg.
"Das ist wie damals bei den Dinosauriern. 160 Millionen Kreisungen geht alles glatt und auf einmal fliegt uns der ganze Code um die Ohren. Und das letzte Backup war noch von den Einzellern."
"Hm, ich glaube Du hast recht.", Zorg rollte nachdenklich in der Luft. "Es wird wohl Zeit für ein komplettes Reengineering. Okay, ihr beiden versucht, die Löcher zu stopfen, so lange es noch geht. Ich kümmere mich um das Budget für ein neues Projekt. Vielleicht wird die dritte Version ja endlich mal ein Erfolg. Und jetzt an die Arbeit."
Zorg verschwand so plötzlich, wie er erschienen war.
Seufzend verbanden sich Blorg und Gorg wieder mit ihren Eingabeflächen. Vielleicht war ja noch was zu retten. Eine der Instanzen hatte kürzlich angefangen, seinen eigenen Code zu optimieren. Blorg schaute nach, ob die ID noch im Hauptspeicher war. Ja, Venter 1.1 hatte seine Versionsnummer selbsttätig heraufgesetzt. Interessant. Vielleicht konnte das ja das Ende noch ein wenig hinauszögern.